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90 Jahre 12.Februar 1934

Am 12. Februar 2024 wird mancherorts daran erinnert, dass vor  90 Jahren ein blutiger Zusammenstoß zwischen Sozialdemokraten , der Exekutive und  Heimwehrverbänden stattgefunden hat. Es ist nach wie vor strittig, ob man die Ereignisse als Bürgerkrieg, Aufstand oder bloße Erhebung der Arbeiter bezeichnen sollte. Das Datum steht allerdings für den endgültigen Untergang der österreichischen Demokratie und  der  Etablierung einer autoritären Kanzlerdiktatur. In welchen Etappen es dazu kam,  soll im folgenden Text  kurz erklärt werden.

Die Erste Republik – Ein schwieriger Beginn

Am Anfang stand die Katastrophe, denn der Spätherbst des Jahres 1918 leitete zwei entscheidende Prozesse ein: Erstens den Zerfall des Habsburgerreiches und zweitens die Entstehung eins Kleinstaates, der sofort mit denkbar ungünstigen Bedingungen zu kämpfen hatte. Eine großzügige Völkerbundanleihe konnte zwar 1922 den wirtschaftlichen Zusammenbruch gerade noch verhindern, verband dies aber mit einer restriktiven Sparpolitik. Ebenso schwer wog aber der mangelnde Glaube an die Lebensfähigkeit des neuen Staates, der zugleich den Anschlussgedanken an das größere Deutschland enorm befeuerte. Schließlich erwies sich auch nach anfänglicher Kooperation zwischen Sozialdemokraten und Christlich- Sozialen und das darauf folgende „Gegeneinander der politischen Kulturen“ als ungeheure Bürde für eine gedeihliche Entwicklung der Ersten Republik Österreich. Beide politischen Lager schufen sich Wehrverbände (Schutzbund und Heimwehr), die in martialischen Aufmärschen ihre Stärke zeigen wollten.

Heimwehr und Schutzbund  Aufmarsch 1928 Wiener Neustadt

Die Erste Republik- Auf dem Weg zum autoritären Staat

Der am 20.Mai 1932 mit der Regierungsbildung beauftragte vormalige Landwirtschaftsminister Engelbert Dollfuß besaß nun keinesfalls ein klares Programm zur Errichtung eines autoritären Staates, wenngleich das Zusammenspiel mehrerer Faktoren eine solche Entwicklung begünstigte. Die Durchführung von drastischen Sanierungsmaßnahmen, die Weltwirtschaftskrise hatte auch Österreich hart getroffen, stieß auf heftigen Widerstand der Sozialdemokraten im Parlament . Die Machtergreifung Hitlers im Jänner 1933 in Deutschland führte zu einer Welle von Terroraktionen in Österreich. Gleichzeitig wurde Dollfuß vom  italienischen Machthaber Benito Mussolini immer vehementer dazu gedrängt, die Sozialdemokratie endgültig auszuschalten und ein faschistisches Regime nach italienischem Vorbild zu etablieren.

Benito Mussolini Faschistischer Diktator 

Die Erste Republik – Die Ausschaltung des Parlaments

Als es am vierten März 1933 im Nationalrat zu einem Formfehler bei einer Abstimmung über Sanktionen gegen streikende Eisenbahner gekommen war, nutzte Bundeskanzler Engelbert Dollfuss die anschließende Verwirrung aus, um das Parlament auszuschalten und in Folge Schritt für Schritt eine autoritäre Diktatur zu errichten. Am 20.Mai 1933 folgte die Gründung der Vaterländischen Front, einer Einheitspartei, “ […] die alle vereinigen sollte, die bewusst und überzeugt österreichisch gesinnt sind “ und durch das Vaterländische Front-Gesetz von 1934 “zum einzigen Träger der politischen Willensbildung im Staat“ ausersehen war. Nur wenige Monate später, am elften September 1933, proklamierte Bundeskanzler Dollfuss in einer Rede auf dem Wiener Trabrennplatz die Schaffung eines “christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischen Grundlage unter starker, autoritärer Führung.“ Bei der Formierung eines neuen Staatsbewusstseins hatte die Schule vorrangig dafür Sorge zu tragen, dass das österreichische Vaterland „ freudig aufgenommen und bejahend erlebt werde“. Der Lehrer avancierte nunmehr zum „Pädagogischen Führer“ und war somit verantwortlich für die Heranbildung bewusster Österreicher.

BK Engelbert Dollfuß Trabrennplatzrede am 11.9.1933

Die Erste Republik – Der „Bürgerkrieg“  12.Februar 1934 

Am elften Februar 1934 sprach der Wiener Heimwehrführer Emil Fey in einer Ansprache offen davon, morgen an die Arbeit zu gehen und ganze Arbeit zu leisten. Der Widerstand der Sozialdemokraten gegen die Zerstörung der parlamentarischen Demokratie verlief zögerlich, so dass sich in breiten Teilen der Basis bereits erheblicher Unmut breit gemacht hatte. Der oberösterreichische Schutzbundführer Richard Bernaschek hatte einen Brief an den Wiener Parteivorstand verfasst, indem er unmissverständlich erklärte, bei einer Waffensuche durch die Exekutive nicht passiv zu bleiben! Nach wenigen Tagen war der Aufstand des sozialdemokratischen Schutzbundes tatsächlich österreichweit zusammengebrochen. Der Blutzoll freilich war ungewöhnlich hoch, ungefähr 350 Tote, die Demokratie endgültig begraben und die Gräben innerhalb der Bevölkerung unüberbrückbar geworden.

Arbeiterheim Ottakring Februar 1934 

Weitere Informationen finden Sie auf meiner digitalen Infowand Austrofaschismus.

Ernst Gusenbauer

Ehemaliger Direktor einer Mittelschule. Universitätslektor an der JKU-Linz. Leiter und Vortragender im Fachbereich Geschichte an der Pädagogischen Hochschule OÖ. Studium der Geschichte an der FernUniversität Hagen. 2013 Promotion zum Dr.phil. Im Übrigen Historiker aus Leidenschaft.

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